Remember when: Tocotronic

Die folgende Konzertkritik bin ich meinem Blog und seiner Umwelt noch schuldig. Am 7. März war ich an meinem vierten Tocotronic-Konzert. Sie spielten an jenem Sonntagabend in der Aktionshalle der Roten Fabrik in Zürich. Wunderbar war das, wie sich die prüde, zurückhaltende Schweizermasse dem Schallwall hingab.
Die folgenden Worte fand ich unmittelbar nach dem Ereignis:

Geordnete Überschwänglichkeit
Zurückhaltende Unmittelbarkeit
Authentizität in der Selbstverleugnung
Erklärende Worte (zu „Verschwör dich gegen dich“)
Wohlreflektierte Befreiung von Zwängen
Spiel mit Erwartungen
Grundsolides Handwerk
Offenbarende Enthüllung
Süsses Zuzwinkern
Verreinnahmtes Publikum
Junger Mann gibt sich seinem kaum definierten Körpergefühl hin
Die Proklamationen geben Planung vor
Zufrieden in der Abwärtsspirale
Wohlfeil.

Adam Green: dt. Fazit

Adam Green ist in erster Linie ein Assoziationsbündel. Er versteht es, das Absurde mit dem Seltsamen, das Tragische mit dem Zynischen, die Erkenntnis mit der Verblendung verschmelzen zu lassen. Seine Worte und Musik fühlen sich richtig an.
Live ist Adam Green ein gewiefter Entertainer. Gemäss Interview-Aussage (s. Video) sind ihm Konzerte eigentlich lästig; oft geniesst er es dann aber doch mehr als erwartet. Er versucht die Leute zu unterhalten, ihnen „eine Show zu bieten“, wie man nicht sagen sollte. Und das gelingt ihm immer wieder mit bestechender Treffsicherheit.
Der Live-Performance-Überbau bringt die immanente Unruhe seiner Lieder zum Ausdruck. Das im Stillen angelegte Chaos bricht gelegentlich aus – ohne dass sich etwas verändern würde.
Vielleicht ist die Selbstzerstörung inszeniert, vielleicht imitiert er Doherty/Barat („I adore these guys“, sagt er selbst), vielleicht geht es ihm wirklich schlecht.

Adam Green goes with the flow

I have to write this while it’s warm: Adam Green Concert in Zurich tonight. Was an explosion, that’s what it was. High expectations, always exceeded (so far 5 shows seen); this one best ever. Communication with crowd, bandleader, feeling/vibe of creativity tangible. Talking about that, crowdsurfing (three times), first time after second song. Standing on top of someone, realizing there is huge video beamer, knocks head on it, goes down, more crowd surfing. Touching naked ugly belly. Weird dancing (alright, that’s usual). Reason that started craziness (maybe?): sound mixing bad, first song way too loud. Green repeatedly gesturing for lower volume. Losing microphone while crowdsurfing. Playing few songs from new album. Starting a song (solo, acoustic (nylon string), intermezzo thing he always does) – song was „You Blacken My Stay“ – stopping suddenly after a while: „i’m not feeling this, let’s get the band.“ audience: „BAND“. no drama/diva thing. Pure emotion, no, strike emotion. Pure crazy, brilliance, exuberance. „Going with the flow“, he says at one point (wouldn’t have used it for title otherwise, too corny). Huge noise/feedback outro/end/orgy thing. Sexual vibe. Starting with attire: Adam in leather jacket, no shirt underneath, tight 70s (waist-cut, flare) jeans. Sweats almost immediately from beginning. Flirts with hottest girl in front row. Soon starts making out with all sorts of people in the front. Long french-kisses. Mutual, mostly. More crowd surfing.

Let’s not forget: the music is great. Not just great in relation to everything else. He’s improved/refined his songwriting (more obvious on disc than live). Raw energy from band. Weird characters. „John Whiskey Wiley“, „Dr. Omar Fuck“ (keyboards, Green says: „My own personal phyisician“ (guy looks like jesus) „Thanks for that heart transplant man“. The music is really good, louder, more beat focussed: drums starts most songs with driving rock-thing and then blends into song. Free improvisation on setlist. Songs interrupted by microphone/DIY incidences. A lot of interaction with crowd. For example:
-Green: „I need five bucks, like franken, what’s it called. Need to buy some water, man, water.“
-guy from audience throws a handful of change on stage.
-Green looks puzzled, holds up a coin „how much is that?“
-people look at size and guess: 1 or 2
-Green looks at coins on stage „that’s an insult. what’s all that, like half a buck?“
-Green picks up coin from stage, puts it in his mouth, rolls it around with his tongue, says „it tastes really good now“ (coin or mouth? i ask myself)

More music. Always talking, always music. Punk style pogo dancing in some songs. Both hands up clapping stadium rock style for other songs. Band looks on worried/enthused/amuzed/entertained/worried/professional and adapts/enhances/enables all the impromptu craziness.

So much more. Big thing: tells story of how he went to the lake of Zurich. There was a swan, Green threw an apple at/to him. Corrects „him/she/it, yeah it“. Swan gulped down the apple whole. Green concludes (traditional story telling, build-up): „and now there’s a swan here, that’s gonna wonder for the next, like, 10 years, when it’s gonna get another apple“. Parable? Just a coincidence? Storytelling skills wow.
So much more. Always crazy, but in this concert he went over the roof, so much going on. Yeah, forgot about the whole „sexual orientation thing“: also kisses a guy (shortly, quickly). for first encore comes back wearing shirt from concert venue, tries to tear it open hulk-style. fails, looks at label, where it was made. Expects „made in Switzerland“, finds „made in India“, says „India. I don’t even know what that means.“ Pulls stretched out collar down over shoulders, dances mock-gayly. Says „I’m not that strong, like you guys. I’m a sissy“. Pulls down collar to expose nipple. „But you can still suck my tits“. Guy in back yells „you wish“. Adam laughs, says „who was that, what, him, no wasn’t even him, that guy over there, dunno, you’re my favourite gay guy.“

Wow, too much blogage already. So many more stories. Will keep them coming. Good night.
And you, Adam Green, take care. Recover from divorce. Keep on going the way you are. Just one thought for future concerts: everybody make sure there’s no fire (or flammables) near stage. He might burn the house down and self-sacrifice someone.

Stimmung statt Inhalt – „Imaginarium of Dr Parnassus“ und „Bright Star“

Dies soll kein Kinokritik-Blog werden. Dennoch regen mich Filme immer wieder zu spontanen Reaktionen an. Und weil sich diese auf einen konkreten Gegenstand beziehen, gelingt es mir eher, sie zu einem Abschluss zu bringen. Ausschweifende Gedankenverstrickungen haben und nehmen kein Ende.
Genug der Vorrede.

Am vergangenen Wochenende habe ich zwei Filme besucht, deren Reiz und Schwachpunkt eine ähnliche Ursache haben. Zum einen „The Imaginarium of Doctor Parnassus“ (von Terry Gilliam) und zum anderen „Bright Star“ (von Jane Campion). Beide Filme haben durch ihre visuelle Stärke überzeugt und mich mit ihren Bildern in ferne Welten versetzt. Die Fokussierung auf die Eindrücklichkeit der geschaffenen visuellen Kunstwelt wird aber beiden Filmen auch zum Verhängnis. Sie verlassen sich zu sehr auf die Wirkung ihrer Bilder und der ihnen eigenen Optik, und vernachlässigen die Ausarbeitung der Handlung. Auf die Leinwand des optischen Gefühls werden Motive der Story wie erratische Farbkleckser geworfen, die sich nicht so recht vereinen wollen. Aber alles der Reihe nach.

Im „Imaginarium of Doctor Parnassus“ werden uns Farborgien fantastischer Traumwelten vorgeführt, die allein schon den Kinobesuch lohnen. Der Schritt durch einen Zauberspiegel bringt uns in eine Welt, die von unserer Vorstellungskraft fortlaufend erschaffen wird und in der wir uns der immergleichen Versuchung des Bösen erwehren müssen. Der Film will aber keine Märchengeschichte sein. So reichert er sich mit spirituell-philosophischen Motiven an. In deren Zentrum steht der titelgebende Doktor, der in einen Pakt mit dem Teufel seine Unsterblichkeit mit der Seele seines Kindes erkauft hat. Ab ihrem 16. Geburtstag gehört die hübsche Valentina dem Leibhaftigen. Die Bedeutung dieses Handels um die Unsterblichkeit wird nur anhand eines unsäglichen Familiendramaklischees dargestellt. Parnassus trinkt sich ins Elend, um die Konsequenzen des Loslösungsprozesses zu verdrängen. Auch die mythischen Anfänge des Doktor Parnassus dienen mehr als Vorwand für weitere atemberaubende Bilder, als dass sie zur Herausbildung einer Aussage beitragen würden. Überhaupt gelangt der Film nicht zu einem Punkt. Das Auftauchen des (beinahe) erhängten Tony/George bringt etwas Bewegung in die Geschichte. Doch die schussendliche Aufdeckung der dunklen Vergangenheit, die sein Nahtod aus seinem Gedächtnis entfernt hat, bewegt uns nicht sehr. Man weiss nicht was damit anzufangen ist, und wieder fehlt dem Film die Entschiedenheit zur Zusammenfügung seiner Motive zu einem kohärenten Erzählungsgebilde. Der Film begnügt sich damit, durch seine Bilderwelten das Publikum ins Staunen zu versetzen und die Suche nach den Antworten auf die aufgeworfenen metaphysischen Fragen vergessen zu lassen.
Nichts zu beanstanden geben hingegen die Darsteller. Christopher Plummer mimt den griesgrämigen, unsterblichen, apathischen Magier mit einer angemessenen Mischung aus aufgebrachter Verzweiflung und stoischer Ruhe. Heath Ledger macht seine Sache gut; seine flapsige, charmante, ungreifbare Darstellung des gedächtnislosen Tonys ist sehenswert. Allerdings erschwert sein Tod (der den Dreharbeiten eine jähe Unterbrechung aufdrängte) eine Beschränkung auf den Wert seiner künstlerischen Leistung. Höhepunkte des Films sind die Auftritte der Ledger-Ersatzschauspieler, die seine Fantasiesequenzen übernehmen. Leider fällt Jude Law gegenüber Johnny Depp und Colin Farrell stark ab. Das Glanzlicht ist – in meiner bescheidenen Wahrnehmung – eindeutig die wandlungsfähige Lily Cole. Von der abendberobten Schönheit zum Trödlermädchen, vom träumerischen Teenager zum schwärmenden Fräulein – sie meister die Vielfalt ihrer Rolle als Tochter Parnassus hervorragend. Und Gilliam weiss ihre Schönheit, die aus der Reibung zwischen ausseralltäglicher Übernatürlichkeit und seltsamer Durchschnittlichkeit entsteht, gekonnt ins richtige Licht zu setzen.
Alles in allem ein mittelgradig gelungener Film. Beschränkt man sich auf den Genuss der üppigen, originellen, fantastischen Bilder und der fähigen Besetzung, vermag „The Imaginarium of Doctor Parnassus“ durchaus zu überzeugen. Wer allerdings eine Ausarbeitung der skizzenhaften Motive und eine deutungsfähige Aussage erwartet, wird enttäuscht.

Der zweite Film, „Bright Star“ über Leben und Liebe des englischen Romantikdichters John Keats, ist stark von seiner Handlung getrieben. Es wird linear und verständlich aufgezeigt, wie Keats und Fanny Brawne sich treffen, verlieben und auf ihre Weise an der Unmöglichkeit ihrer Liebe scheitern. Die Regisseurin weiss um die Banalität ihrer Geschichte und verwendet sie als Hintergrund, vor dem sie Gesellschaftskritik, Poesie und Gefühl vorführen will. Das gelingt nicht vollends. Kostüme, altertümliche Sprache und verstockte Sitten werden ohne kritische Distanz dargestellt. Der Betrachter bekommt den Eindruck, als habe sich Campion zu sehr in den „Look & Feel“ der Zeit verliebt. Nach einer gewissen Zeit werden die Nahaufnahmen von Mobiliar, Kostüm und Natur zum Selbstzweck und verlieren ihre Funktion als Handlungsträger und Metaphern.
Durchaus gelungen sind die Visualisierungen der Poesie. Viele Einstellungen kommen als bildgewordenes Gedicht daher und die wörtlichen Bezüge von Bild und Text sind stellenweise hervorragend.
Doch über alles besehen vermag der Film die Falle der historisierenden Beschaulichkeit zu vermeiden, die allzu oft das Genre des Epochen- und Kostümfilms heimsucht. Die Geschichte überträgt sich nicht in unsere Zeit und der Film bleibt ein in sich geschlossenes Schaukästchen. Nach dem Abspann brauchen wir zwar einige Zeit, um das schleimige Sentiment loszuwerden, aber darüber hinaus hinterlässt „Bright Star“ kaum Spuren. Er brachte keine Erkenntnisse und regte mich nicht nachhaltig zum Denken an.
Wiederum sind die Bilder schön und die Darsteller gut.

Notizen zu Magnolia

Der Film erzählt keine Geschichte. Die Handlungsstränge bilden keine Geschichte. Sie dienen dazu, Einiges aufzuzeigen. Erstens zeichnen sie das Bild einer kaputten Gesellschaft. Einer Gesellschaft, deren Luxus zu Verblödung und deren konstante Reizüberflutung zu emotionaler Abstumpfung führen. Der Film zeigt aber auch, wie das Leben von Menschen in verschiedensten Lagen und Lebensabschnitten von denselben Thematiken beherrscht wird: Vergangenheitsbewältigung, Schuld, Vergebung, Liebe, Sexualität, Familie, Bedauern, Bereuen, Fehler, unerfüllte Erwartungen. Der Film benötigt die vielen Handlungen und die gesamte Länge, um verständliche Anschauungsbeispiele für die grossen Fragen des Lebens zu liefern. Der Film will uns darauf aber keine Antworten geben. Nein, er beschränkt sich darauf, bekannte, ja allgegenwärtige Problemkreise anhand überspitzter (dramatisierter) Situationen aufzubereiten, und sie zugleich zu abstrahieren. Indem gezeigt wird, wie das Leben einer Vielzahl von Menschen um dieselben Dinge kreist – wenn auch in anderer Gestalt – lösen sich die Thematiken von den Ereignissen.
In seiner Wendung zum Surrealen gegen das Ende (es regnet Frösche vom Himmel) zeigt der Film, dass hier nicht reale Gegebenheiten erzählt werden sollen, sondern vielmehr, dass sich die Filmemacher ein gewaltiges Gedankenexperiment erlauben, das eben nur in der fiktionalen, visuellen Welt des Films möglich ist. Es ist ein Gedankenexperiment darüber, was es heisst, ein Mensch zu sein. Ein Mensch überhaupt, ein Mensch im Verhältnis zu seiner Familie, ein Mensch im Verhältnis zur Gesellschaft, ein Mensch im Lichte der eigenen Vergangenheit.
Die Nervosität der Handlungen, der Musik, der Schnitte macht den Genuss des Films schwierig. Der Film wühlt den Zuschauer auf, er macht das Zusehen zu einer unangenehmen Erfahrung. Wahrscheinlich soll uns ein Spiegel vorgehalten werden. Wir sollen dazu gezwungen werden, uns selbst anzusehen. Uns zu analysieren. Uns die schwierigen, grossen, unmöglichen Fragen selbst zu stellen. Uns mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Unsere Fehler wieder aufzuarbeiten, uns unsere Versäumnisse vor Augen zu führen.
Es ist weniger Unterhaltung als zeitgerechte Pseudophilosophie, die uns hier vorgeführt wird. Sie bringt uns zwar nicht weiter, sie kann uns aber wenigstens zum Denken und Innehalten anregen.

CRITIQUE (short): The Darjeeling Limited

I went to see The Darjeeling Limited last night. Now, I’m still undecided on whether I’m disappointed or not. Wes Anderson’s films can hardly disappoint, seeing that they are among the best pieces of celluloid ever. His latest film is, despite all, to be included in this category.

Beside a little struggle in finding its theme/message, it’s a beautifully crafted work of art. The three protagonists (Jason Schwartzmann, Owen Wilson and Adrien Brody) act well, although their performances suffer from trying too hard; they all want to be the coolest cat in this rat pack. As any film, it could use a bit more Bill Murray. Anderson masters the use of props (here: the unique set of luggage, Owen Wilson’s „these are 3000 dollar loafers“, Brody’s sunglasses with his dad’s correction still in them) better than any of his contemporary filmmakers.

My main issue with this film is that it seems not to know if it should take the whole spirituality-thing seriously – should it draw it into ridiculousness, should it treat it with respect out of fear of blasphemy. With that, after the first viewing of the film, I’m not sure whether the movie was serious about any message or if it should just be an enjoyable array of loveable yet quirky [„quirky“ needs to be in every Anderson review, I gather] characters, an interesting situation for a family to be in, good dialogue and, yes, props.

Once I will have gathered more thoughts on the film, I might re-critique it. So bear with me.